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Taktiktafel: Sandhausen (H)

Das Hinspiel …

… war ein wildes Fußballspiel, bei dem der FCN nach einer schwachen ersten Halbzeit wieder ins Spiel kam, nur um dann das erste in einer Reihe von späten Gegentoren zu kassieren und mit 3:2 zu verlieren. Auffällig war bei der Nachbetrachtung zum einen, dass der Club zum zweiten und nicht zum letzten Mal deutlich mehr Tore kassierte, als er per xG hätte kassieren sollen. Der statistische Erwartungswert der Chancen der Sandhäuser war lediglich 0,75 gewesen. Großen Anteil an dieser hohen Diskrepanz hatte der Führungstreffer durch Mario Engels, der per Freistoß aus erheblicher Distanz fiel und durch einen Fehler von Christian Mathenia begünstigt war.

Ebenfalls bemerkenswert war, wie hoch der Anteil der langen Bälle in diesem Spiel war. Phasenweise war jeder dritte Pass ein langer Ball, der Club hatte auf das ganze Spiel gerechnet immerhin eine Quote von 25 Prozent. Je länger ein Pass, desto unpräziser ist er, deshalb stand am Ende auch eine Passquote von lediglich 60 Prozent bei den Vorwärtspässen zu Buche. Es war das erste in einer Reihe von Spielen, bei denen man das Gefühl hatte, die Mannschaft habe Damir Canadis Idee, den Ball schnell in die Spitze zu spielen so interpretiert, dass das Spielgerät möglichst unkontrolliert Richtung gegnerisches Tor geschlagen werden sollte.  

Anders seitdem ist …

… in mancherlei Hinsicht wenig. Der Club hat auch seitdem deutlich mehr Tore kassiert, als er eigentlich hätte sollen. Sandhausen dagegen deutlich weniger als die Chancenqualität des Gegners es vermuten ließe. Der FCN gehört immer noch zu den Teams mit den meisten langen Bällen und mit relativ geringer Präzision in den Zuspielen.

Seit dem Hinspiel hat Sandhausen allerdings seinen Schlüsselspieler abgegeben. Philipp Förster wurde an den VfB Stuttgart verkauft. Stattdessen verpflichtete man einen anderen Ex-Cluberer. Seit dem 2.9. steht Besar Halimi am Hardtwald unter Vertrag. Der Deutsch-Kosovare kam aus Dänemark von Bröndby IF und hat sich in den Wochen vor der Winterpause in der Stammelf festgespielt.

Dass er dies konnte, hängt auch damit zusammen, dass Trainer Uwe Koschinat seine Grundformation von 4-2-3-1 auf ein 4-4-2 mit Raute umgestellt hat. In der Kombination Raute mit Halimi auf der Position hinter den Spitzen hat Sandhausen noch nicht verloren, allerdings von den sechs Partien auch nur zwei gewonnen. Das unterstreicht: Die Sandhäuser sind mit neun Unentschieden zusammen nach Darmstadt die Remis-Könige der Liga.

Statistisch auffällig beim Gegner …

… sind vor allem Kleinigkeiten. So geht der SVS von allen Teams am seltensten ins Dribbling und hat die geringste Anzahl von Steckpässen gespielt, zählt aber dennoch in Sachen Ballkontakte im Strafraum, abgegebene Schüsse und Pässe in Tornähe zur Spitzengruppe der Liga.  Das hat viel damit zu tun, dass Sandhausen überdurchschnittlich häufig Flanken einsetzt. Sandhausens Außenverteidiger Dennis Diekmeier (122 Flanken) und Leart Paqarada (83) liegen in der Zweiten Liga auf Platz eins und vier des Rankings.

Viel wichtiger aber ist, dass sie in Sachen Zielgenauigkeit mit 42% bzw. 40% angekommenen Flanken auch beide unter den Top 5 der Liga sind. Die hohe Zahl ist sicher zum Teil damit zu erklären, dass im 4-4-2 mit Raute die äußeren Mittelfeldspieler fehlen und die Außenverteidiger noch mehr auf die offensiven Flügel vorstoßen können, um dort zu flanken, die Genauigkeit in den Zuspielen ist aber den Fähigkeiten der Spieler geschuldet.

Angesichts dieser Werte überrascht es nicht, dass der Spieler mit den meisten Kopfballduellen der Liga auch beim SV Sandhausen spielt: Kevin Behrens kommt auf fast drei Duelle mehr der nächste in Liste. Da er auch der Stürmer mit der zweitbesten Kopfballduellquote (53%) ist, wundert es nicht, dass niemand in der Zweiten Liga mehr Kopfballtore als Kevin Behrens erzielt hat, eins davon im Hinspiel gegen den FCN, zwei vorgestern in Osnabrück.

Der Hipster-Spieler …

… ist der Torwart. Martin Fraisl kam zu Saisonbeginn vom FC Botosani aus Rumänien. Dort war er vom Florisdorfer AC aus Wien, einem Zweitligisten hingewechselt und hatte, nachdem er sich den Stammplatz erkämpft hatte, unter anderem dadurch ausgezeichnet, dass er in 15 Einsätzen acht Mal zu Null gespielt hatte und fünf Tore weniger kassiert hatte, als es die Chancenwahrscheinlichkeit vermuten hätte lassen. In Sandhausen deutet der Keeper nun an, dass diese Zahl kein Zufall ist. Eigentlich hätte Fraisl fast 27 Tore kassieren müssen, es waren aber bisher nur deren 20. Es ist damit das dritte Mal in vier Spielzeiten, dass er den xG-Wert schlägt.

Wie gut diese Zahlen sind, unterstreicht die Tatsache, dass seine Quote an gehaltenen Schüssen bei 75% liegt, eine Quote, die in den drei deutschen Profiligen kaum ein Torwart übertrifft, in der ersten Liga hat nur Gladbachs Yann Sommer (76%) einen leicht besseren Wert. Was bei Fraisl hinzukommt, ist die Tatsache, dass er von allen Torhütern mit signifikanten Einsatzzeiten eine der besten Passquoten hat. Besonders bei langen Bällen sticht diese heraus: 73% seiner langen Zuspiele kommen an, obwohl sein durchschnittlicher langer Pass mehr als 51 Meter Distanz zurücklegt. Der Niederösterreicher ist also nicht nur schwer zu überwinden, sondern auch ein wichtiger Faktor im Spielaufbau.

Der Artikel erschien in leicht veränderter Fassung am 31. Januar 2020 unter dem Titel „Eine kleine Spitzenmannschaft“ im Nürnberger Stadtanzeiger, dem gemeinsamen Lokalteil von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung, auf Seite 36.

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