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Der Charakter des Zweitligafußballs

Wie zweitligafußballig ist eigentlich Zweitligafußball?

Dem Klischee nach ist Zweitligafußball härter, defensiver und intensiver als der Fußball in der Erstklassigkeit. Begründet wird dies dann meist damit, dass die Qualität der Spieler in der Zweiten Liga geringer ist, als in der ersten, was zumindest eine logische Annahme für den Profisport ist. Doch lässt sich diese gefühlte Wahrheit eigentlich belegen?

1. Ist er härter?

Die einfachste Art, diese Frage zu beantworten, ist ein Blick darauf, wie oft in der Liga Foul gespielt wird. Hier gilt tatsächlich über alle Spielzeiten konstant: In der ersten Liga wird seltener gefoult als in der zweiten Liga.  So stehen in dieser Saison pro 90 Minuten 12,4 Fouls in der Zweiten Bundesliga, aber nur 11,85 Foulspiele in der Bundesliga zu Buche. Dabei ist der Unterschied zwischen den Ligen im Vergleich zum Vorjahr, wo die Differenz zu Saisonende fast zweieinhalb Fouls pro Spiel betrug, deutlich geschrumpft und dennoch in der Anzahl noch spürbar.

Die Vermutung, dass auf Grund der geringeren sportlichen Qualität der Verteidiger, häufiger zum Mittel des Fouls gegriffen wird, liegt nahe, lässt sich aber allein anhand von Statistiken natürlich nicht belegen. Dennoch ist auffällig, dass die Zahlen nicht nur für Deutschland, sondern tatsächlich für alle europäischen Top-Ligen (gemeinhin definiert als Bundesliga, Premier League, Serie A, Primera Division und Ligue 1) und ihre Zweiten Ligen gleichermaßen gelten.

Besonders groß ist der Unterschied in Italien, wo die Serie A in den letzten vier Spielzeiten konstant mehr als zwei Fouls pro Spiel weniger verbuchte als die Serie B, doch auch in den anderen Ländern liegt die Anzahl der Fouls in der Zweitklassigkeit immer höher als in der obersten Spielklasse. Insgesamt die wenigsten Fouls verzeichnet übrigens stets die Premier League. Diese liegt als einzige große Liga in Europa bei einem Schnitt von weniger als zehn Fouls pro 90 Minuten.

2. Ist er defensiver?

Verfügt man über weniger Qualität, so geht das Klischee, versucht man sich aufs Verteidigen zu konzentrieren, da es einfacher sei, Tore zu verhindern, als diese zu schießen. Blickt man auf die Anzahl der Tore, kommt man in der Tat zu dem Schluss: In der Zweitklassigkeit fallen weniger Tore als in der Erstklassigkeit. In dieser Saison ist der Schnitt für die Bundesliga 1,54 Tore pro 90 Minuten, für die Zweite Liga liegt der Schnitt bei 1,41. Bei neun Spielen pro Spieltag macht dies also im Schnitt ungefähr einen Treffer an jeden einzelnen Spieltag aus.

Historisch gesprochen ist dieser Abstand kein Ausrutscher, sondern die Norm. Egal welche Spielzeit in den letzten fünf Jahren man sich aussucht, gerechnet auf 90 Minuten fallen in der Bundesliga mehr Tore als in der Zweiten Liga. Eine weitere Tatsache, die tatsächlich europaweit gleich ist. Mit einer einzigen Ausnahme (Frankreich 2017/18) fielen in allen fünf großen europäischen Ligen – auf die Spielzeit gerechnet – stets mehr Tore als in den zugehörigen zweiten Ligen.

Es sei allerdings erwähnt, dass die 1,41 Tore pro 90 Minuten in der deutschen zweiten Liga immer noch mehr sind als die Werte aller anderen ersten und zweiten Ligen der Top-Nationen. In dieser Wertung folgt die Premier League, die in den letzten Jahren konstant um die 1,3 Tore pro 90 Minuten lag. Die wenigsten Tore fallen entgegen dem Klischee übrigens nicht in Italien, sondern in der zweiten spanischen Liga, deren Wert stets um die 1,1 pendelt.

Nun lässt sich zurecht einwerfen, dass allein die Anzahl der Tore nicht aussagekräftig hinsichtlich der defensiven Ausrichtung einer Liga ist. Vielmehr könnte dies ja auch einfach dafür sprechen, dass die Stürmer in der Zweitklassigkeit einfach schlechter sind als ihre Pendants in der ersten Liga und dies nicht allein durch den Klassenunterschied der Verteidiger aufgefangen wird, schlicht ist verteidigen ja angeblich einfacher als angreifen.

3. Ist er intensiver?

Es lohnt daher auch ein Blick auf einen Wert, den die Fußballstatistiker mit dem englischen Begriff „Challenge Intensity“ beschreiben. Dahinter verbirgt sich schlicht und ergreifend die Anzahl an geführten Zweikämpfen, Tacklings und abgefangenen Bälle pro Minute gegnerischen Ballbesitzes. Hierbei lässt sich beim Blick auf die vergangenen Spielzeiten wieder das gewohnte Bild feststellen: In jeder europäischen Topliga und ihrer zweitklassigen Entsprechung lag zu Saisonende der Wert in der zweiten Liga höher als in der ersten Liga.

Das heißt, es wurde in der Zweitklassigkeit intensiver um den Ball gekämpft als in der obersten Spielklasse. In dieser Saison bildet aber ausgerechnet die deutsche Zweite Bundesliga die Ausnahme in diesem Bild. Er liegt mit 6,17 Aktionen pro Minute gegnerischen Ballbesitzes tatsächlich niedriger als in der Bundesliga (6,29). Er liegt aber noch deutlich höher als in der Primera Division (5,84), Serie A (5,98) oder beiden französischen Ligen (5,43 bzw. 5,75).

Ähnliches lässt sich auch für den in dieser Kolumne schon mehrfach erwähnten PPDA-Wert sagen. Der Pressingindikator liegt in dieser Saison in der Zweiten Liga (10,97 gegnerische Pässe pro eigener Defensivaktion) erstmals unter dem der Bundesliga (10,51). Er liegt aber noch höher als in der Ligue 1 (12,02) oder der Premier League (11,63). Auch beim PPDA-Wert gilt in Betrachtung der letzten Spielzeiten europaweit: In der Zweitklassigkeit wird intensiveres Pressing gespielt als in der Erstklassigkeit. Am intensivsten in der zweiten spanischen Liga.

Insgesamt lässt sich also tatsächlich ein Bild vom Zweitligafußball in ganz Europa zeichnen, das den Klischees entspricht. Gleichzeitig fällt auf, dass dieses Klischee vor allem in Relation zum jeweiligen Oberhaus erfüllt wird, in der globalen Betrachtung ist Zweitligafußball dann doch überall ein wenig anders.

Der Artikel erschien in leicht veränderter Fassung am 11. Oktober 2019 unter dem Titel „Das ist so 2. Liga“ im Nürnberger Stadtanzeiger, dem gemeinsamen Lokalteil von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung, auf Seite 36.

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