Das Hinspiel …
… endete mit dem höchsten Clubsieg in den letzten zwei Jahren. 4:0 stand es am Ende für den FCN nach zwei Treffern von Margreitter und je einem von Behrens und Hack. Dabei lässt ein Blick auf die reinen Kennzahlen gar nicht vermuten, dass der Club so klar gewonnen hat: 26 Prozent Ballbesitz, 67 Prozent Passquote, 629:172 Pässe, phasenweise bis zu 30 Prozent lange Bälle. Selbst in Sachen Torschüssen lag Hannover vorn. Doch ein Blick hinter diese großflächigen Zahlen zeigt: Die 74 Prozent Ballbesitz der Niedersachsen waren größtenteils unproduktiv, so genannter „leerer Ballbesitz“.
So schaffte es Hannover trotz wesentlich höheren Spielanteilen nur einmal häufiger als der Club im gegnerischen Strafraum an den Ball zu kommen. In 90 Minuten ging nur ein einziger Schuss Hannovers aufs Tor von Christian Mathenia. Der expected Goals Wert der Gastgeber lag nach der Pause bei 0,02. Es war eines der wenigen Spiele, in der Damir Canadis Strategie des schnellen Umschaltens und Tempos in Richtung Spitze wirklich aufging, was auch an den frühen Toren lag, die Sicherheit gaben.
Anders seitdem ist, …
… wieder einmal, auf beiden Seiten der Trainer. Dabei verbindet Hannover und Nürnberg nicht nur, dass sie als Bundesligaabsteiger gegen den Abstieg aus der Zweiten Liga kämpfen, sondern auch, der Zeitpunkt der Trainerentlassung. Mirko Slomka ging auch nach dem 12. Spieltag, der Nachfolger, Kenan Kocak, gab – wie Jens Keller – sein Debüt am 14. Spieltag. Kocak hat sich in der Grundformation weitgehend auf einer Dreierabwehr festgelegt, streut aber – wie beim Sieg in Fürth oder in der zweiten Halbzeit gegen Kiel – ab und zu auch Viererabwehrformationen ein.
Auffällig beim Videostudium ist, dass die Ketten, egal ob in Dreier- oder Viererreihe, im Zentrum oft nicht auf einer Höhe agieren, sondern ein Spieler etwas tiefer steht. In den vergangenen beiden Spielen war es Timo Hübers, der sich als mittlerer Spieler der Dreierkette oft tiefer fallen ließ als die Mitspieler. Für die Angreifer ergibt sich daher eine Möglichkeit diesen Umstand auszunutzen, da Abseitssituationen schwerer herzustellen sind.
Die meisten Torchancen gegen Hannover entstehen allerdings nicht durch die Mitte, sondern durch Angriffe über die Flügel, sechs der letzten acht Gegentore fielen über Außen, die anderen beiden waren ein Eigentor und ein Elfmeter. Obwohl Hannover weiterhin im Schnitt mehr Ballbesitz hat als der Gegner, ist der Anteil unter Kocak spürbar geringer geworden. Fast 80 Pässe weniger pro Spiel spielen die Niedersachsen seit Kocak das Kommando hat.
Statistisch auffällig beim Gegner…
… sind die Dribblings. Kein Team in der Liga schließt mehr Dribblings ohne Ballverlust ab als Hannover. Mit Muslija, Albornoz, Haraguchi und Maina spielen gleich vier der 15 erfolgreichsten Dribbler des deutschen Unterhauses in Hannover. Keine andere Mannschaft stellt mehr als zwei Spieler in dieser Liste. Hannover greift auch verhältnismäßig oft zu diesem Mittel, gehört bei der Anzahl der Dribblings zum oberen Drittel.
Auch in vielen anderen offensiven Kategorien gehören die Niedersachsen zu den besten Mannschaften in der Zweiten Liga: Ballberührungen im Strafraum, Steckpässe, Pässe zu Abschlusschancen, Pässe ins Angriffsdrittel. In all diesen Bereichen gehören die Sechsundneunziger mindestens zu den besten sechs Teams der Liga. Dass Hannover in Sachen tatsächliche Tore wie auch in Sachen expected Goals aber zu den schlechtesten Mannschaften der Liga gehört, scheint daher nicht so recht ins Bild zu passen.
Doch Hannover schafft es nicht, all diese guten statistischen Werte in Torschüsse umzumünzen. Nur sechs Teams in Liga Zwei haben weniger oft aufs Tor geschossen. In Sachen expected Goals pro Schuss sind sogar nur der KSC und der FCN schlechter als Hannover. Das heißt Hannover schießt nicht nur relativ selten, sondern auch meist aus wenig aussichtsreichen Positionen.
Der Hipster-Spieler …
… ist wie Karlsruhes Änis Ben-Hatira in der Vorwoche gebürtiger Berliner. Er ist auch wie jener Ben-Hatira ein Flügelspieler, allerdings auf der rechten offensiven Außenbahn. Linton Maina ist jedoch erst 20 Jahre alt und steht damit im Gegensatz zu Ben-Hatira am Beginn seiner Karriere. Was Maina auszeichnet sind seine Geschwindigkeit und seine Dribblings.
Der Mann, der seine Karriere beim SV Pfefferwerk in Berlin begann, gehört in Sachen versuchte Dribblings wie auch erfolgreiche Dribblings zu den Top 15 der Zweiten Liga. Seit der Winterpause ist Maina der Hannoveraner mit den meisten Pässen zu Abschlüssen, den meisten Duellen um den Ball und den meisten Balleroberungen im eigenen Angriffsdrittel. Maina ist zur Zeit der offensive Fixpunkt bei Hannover und könnte Tim Handwerker und Robin Hack auf der linken Seite des FCN damit vor Probleme stellen.
Der Artikel erschien in leicht veränderter Fassung am 6. März 2020 unter dem Titel „Nur statistisch eine Spitzenmannschaft“ im Nürnberger Stadtanzeiger, dem gemeinsamen Lokalteil von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung, auf Seite 40.