Das Hinspiel …
… war das einzige Spiel im bisherigen Saisonverlauf, bei dem der FCN es nicht schaffte, auch nur einen einzigen Schuss aufs Tor des Gegners abzugeben: Vier der neun abgegebenen Schüsse wurden geblockt, vier gingen neben den Kasten, einer über das Tor. Beim HSV dagegen gingen acht der 15 Versuche aufs Tor, vier Mal landete der Ball dann im von Christian Mathenia gehüteten Gehäuse. Das war auch das Ergebnis eines deutlich zielstrebigeren Spiels der Gäste. Zwar hatten beide Teams 25 Angriffsphasen aus dem Spiel heraus, doch während der FCN nur vier davon mit einem Schuss abschloss, kamen die Hamburger auf die doppelte Anzahl.
Wenn eine Mannschaft vier Gegentore bekommt, dann müssen natürlich defensive Schwächen erkennbar sein, selbst wenn die vier Treffer deutlich über dem xG-Wert von 1,7 lagen, was schon darauf hindeutet, dass Christian Mathenia bei den Toren nicht immer gut aussah. Doch auch andere defensive Mängel waren an jenem Montagabend im August zu erkennen: So hatte der FCN den drittschwächsten Saisonwert in Sachen Balleroberungen, hatte sehr viele Ballverluste, auch weil man nur jeden vierten seiner Zweikämpfe mit dem Ball am eigenen Fuß gewinnen konnte. Das stellte ebenfalls einen Saisontiefstwert dar wie die lediglich 27 Prozent gewonnene Kopfballduelle. Insgesamt sah das Spiel so aus, als gäbe es einen Klassenunterschied zwischen den Mannschaften.
Anders seitdem ist …
… nicht wirklich viel. Der HSV steht auf einem Aufstiegsplatz, spielt über weite Strecken ansehnlichen Fußball, selbst wenn er gegen Ende der Hinrunde ins Straucheln geriet, auch weil er seine Chancen nicht verwertete. In den letzten fünf Spielen bleiben die Hanseaten in Sachen geschossene Tore unter ihrem xG-Wert und von den letzten acht Pflichtspielen gewann man nur das Duell gegen Dynamo Dresden. Letztere Aussage trifft in gleicher Weise auch auf den FCN zu. Allerdings hatte der FCN davor nur drei Ligaspiele gewonnen, der HSV sieben.
In Sachen Ausrichtung hat Dieter Hecking dagegen wenig verändert, die Grundformation ist ein 4-1-4-1, das Anfang September durch den Transfer von Martin Harnik in seine Geburtsstadt noch zusätzliche Flexibilität erhalten hat. Harnik, Jatta und Kittel sind allesamt in vielen offensiven Kategorien statistisch weit vorne und sorgen auch augenscheinlich für sehr viel Gefahr.
Statistisch auffällig beim Gegner …
… ist, dass der HSV in vielen offensiven Kategorien Ligaspitze ist. So spielen die Hamburger die meisten Pässe, die in Tornähe ankommen und liegen mit 13,52 Pässen pro 90 Minuten ungefähr um den Faktor 1,75 vor dem FCN, der mit 7,81 solcher Zuspiele im Ligamittelfeld liegt. Der klare Vorteil dieser Zuspiele liegt darin, dass sie dort passieren, wo es für den Gegner gefährlich wird, da es wahrscheinlich ist, dass aus dem Zuspiel ein Torschuss erwächst. Da (fast) nur aus eigenen Torschüssen Tore entstehen können, ist ein Zuspiel in dieser Zone – Tornähe wird als ein Halbkreis im Radius von 20 Metern um die Tormitte definiert – besonders gefährlich.
Nahezu folgerichtig ist es deshalb, dass der HSV in Sachen Ballkontakte im Strafraum hinter dem VfB Stuttgart auf Rang Zwei in der Zweiten Liga liegt. Auch die Genauigkeit der Steckpässe, also Bälle in die Schnittstelle der Abwehr, ist ligaweit die höchste, obwohl Hamburg die zweitmeisten dieser Zuspiele vollzieht. Kombiniert man all dies mit der Erkenntnis, dass die Erfolgsaussichten eines Schusses größer werden, je näher am Tor er passiert, ist es auch nicht verwunderlich, dass der HSV den höchsten durchschnittlichen xG-Wert pro Schuss in der gesamten Liga hat und die Rothosen auch tatsächlich die meisten Tore geschossen haben.
Der Hipster-Spieler …
… kann eigentlich nur Adrian Fein sein. Der Leihspieler von Bayern München ist der Spieler im deutschen Unterhaus, der am häufigsten mit dem Ball am Fuß Raumgewinn erzielt. Darüber hinaus versucht er nicht nur oft jene Läufe, sondern erzielt pro Spiel mit Ball am Fuß etwa einen Ballgewinn von 105 Metern. Das stellt den höchsten Wert für einen zentralen Mittelfeldspieler im deutschen Profifußball dar. Alle Spieler mit höheren Zahlen sind entweder Innenverteidiger oder Außenbahnspieler, die nicht so früh attackiert werden und daher mehr Zeit zum Laufen mit dem Ball bekommen.
Doch auch im Passspiel ist Fein einer der besten der Liga. Der 20-jährige hat die höchste Quote an kreativen Pässen im Spiel (2,29/90 Minuten) und ist in den Kategorien Pässe, die zu einem Torabschluss führen, Pässe, die in Tornähe ankommen und Pässe ins Angriffsdrittel jeweils unter den besten zehn Spielern der Zweiten Liga. All das wohlgemerkt aus der Position im defensiven Mittelfeld heraus. Es ist also nicht verwunderlich, dass der FC Bayern zwischen Weihnachten und Neujahr den Vertrag seiner Leihgabe an die Elbe um drei Jahre bis Sommer 2023 verlängerte und alle Beobachter davon ausgehen, dass der U21-Nationalspieler im kommenden Sommer eine Chance im Profikader des Rekordmeisters bekommen wird.
Der Artikel erschien in leicht veränderter Fassung am 29. Januar 2020 unter dem Titel „Mit der höchsten Steckpass-Genauigkeit im Nürnberger Stadtanzeiger, dem gemeinsamen Lokalteil von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung, auf Seite 34.