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Taktiktafel: Karlsruhe (A)

Das Hinspiel …

… war gleichermaßen ein typisches wie ein untypisches Spiel des FCN unter Damir Canadi. Denn viele zwingende Chancen erspielte sich der Club beim 1:1 gegen den KSC im vergangenen September nicht. Nürnberg schoss zwar oft aufs Tor, gefährlich waren aber nur wenige Aktionen, so dass der eigene Treffer durch einen Elfmeter fiel. Ebenfalls typisch war, dass der Club nach einer Führung Punkte verspielte. Gegen Karlsruhe war es das dritte Spiel in Folge, in dem der FCN in Front lag, aber am Ende nur Remis spielte. Inzwischen hat der FCN bereits 21 Punkte nach Führung abgegeben.

Untypisch war dagegen, dass der Club mehr als 62 Prozent Ballbesitz hatte. Es war der Höchstwert in der Saison, ebenso wie die fast 86 Prozent angekommene Pässe. Auch der PPDA-Wert von 6,72 und die 4,62 Pässe pro Ballbesitzphase waren nahe an den Saisonbestwerten, genauso wie die knapp neun Prozent langen Pässe. Seltener als im Hinspiel gegen den KSC griff der Club nie zum langen Schlag. Es war also in Sachen Spielanlage ein völlig untypisches Spiel, das aber dennoch einen gewohnten Ausgang nahm.

Anders seitdem ist …

… auf beiden Seiten der Trainer. Nicht nur Damir Canadi musste seinen Trainerstuhl räumen, sondern auch sein Gegenüber aus dem Hinspiel: Alois Schwartz. Der Ex-Clubtrainer wurde Anfang Februar entlassen, sein bisheriger Co-Trainer Christian Eichner befördert. Dessen Bilanz: Nach dem Pokalaus gegen Regionalligist Saarbrücken holte der KSC aus drei Spielen vier Punkte, so viele wie in den letzten sieben Spielen unter Schwartz.

Noch sucht Eichner nach der passenden Grundformation, experimentierte mit Varianten des 4-4-2 und des 4-3-3. Letzteres war am vergangenen Wochenende in Sandhausen erfolgreich, als der KSC den ersten Sieg seit Ende November einfahren konnte. Erhebliche Rückschlüsse auf Eichners Spielweise lassen die vier Pflichtspiele allerdings nicht zu, da jedes der Spiele seine Eigenheiten hatte, welche Daten und Eindrücke verzerren.

Insbesondere das Remis gegen Osnabrück, bei dem der KSC über eine Stunde in Überzahl spielte, war mit 60 Prozent Ballbesitz und 23 Torschüssen völlig untypisch für Karlsruher Verhältnisse.  Das Gegentor in der dritten Minute der Nachspielzeit dagegen nicht: Der KSC ist nach dem FCN die Mannschaft mit den meisten Gegentoren in der Schlussviertelstunde.

Statistisch auffällig beim Gegner…

… sind natürlich die vielen Gegentore. Mit je 42 Gegentoren treffen heute Abend die beiden anfälligsten Abwehrreihen aufeinander. Doch während der FCN ligaweit die drittwenigsten gegnerischen Torschüsse zulässt, bekommt Benjamin Uphoff im Karlsruher Tor die meisten Bälle auf sein Tor. Fast 14 Schüsse pro Spiel lässt der KSC zu, in den zweiten Ligen der europäischen Top 5 gibt es nur zwei italienischen Zweitligisten (Ascoli, Juve Stabia), die noch mehr unter Beschuss stehen.

Der KSC ist darüber hinaus keine Ballbesitzmannschaft 41,3 Prozent stehen als durchschnittlicher Anteil zu Buche, nur Wehen Wiesbaden (38,7 Prozent) hat das Spielgerät noch seltener als die Badener. Karlsruhe ist auch – nach Regensburg – die Mannschaft in der Zweiten Liga mit der höchsten Anzahl an Ballbesitzphasen unter 5 Sekunden und nach den Oberpfälzern und Wiesbaden auch das Team mit der kürzesten durchschnittlichen Ballbesitzzphase (10,9 Sekunden).

Es passt daher auch ins Bild, dass der KSC nach den beiden anderen genannten Vereinen sowohl die schlechteste Passquote allgemein als auch bei Vorwärtspässen hat und die wenigsten Pässe spielt, die zu Torabschlüssen führen. Ligaspitze ist der KSC dagegen bei Flanken. Niemand jagt mehr Bälle in von den Flügeln in den Strafraum als die Badener. Die acht Kopfballtore, die daraus entstanden sind, sind der drittbeste Wert der Liga hinter Bielefeld (neun) und dem Club (elf). Dass der KSC mit 13 Toren nach Standardsituationen die beste Mannschaft der Zweiten Liga nach ruhenden Bällen ist, liegt auch an der Kopfballstärke des Teams. Niemand gewinnt mehr Kopfballduelle als der KSC.

Der Hipster-Spieler …

… fällt aus. Marc Lorenz hat sich einen Rippenbruch zugezogen und muss pausieren. Gerechnet auf die Einsatzzeit ist der 31-Jährige der beste Vorbereiter des KSC, hat die meisten Vorlagen zu Torvorlagen gegeben, die meisten offensiven Steckpässe gespielt und gehört ligaweit zu den häufigsten Flankengebern. Ersetzt wurde Lorenz gegen Sandhausen durch Änis Ben Hatira. Das ging auf, der Winterneuzugang bereitete ein Tor vor, erzielte eins selbst.

Der ebenfalls 31 Jahre alte Linksaußen war im Winter zum KSC gewechselt. Es stellte die Rückkehr in den deutschen Fußball dar, nachdem Darmstadt 98 im Januar 2017 seinen Vertrag aufgelöst hatte, da Ben Hatira sich nicht von einer von ihm unterstützten Hilfsorganisation, die als „als extremistisch-salafistisch eingestuft“ wurde, distanzieren wollte. Es folgten Stationen in der Türkei (Gaziantepspor), Tunesien (Esperance Tunis) und Ungarn (Honved Budapest). Betrachtet man seine Daten aus der Zeit in Budapest könnte man auf Grund seiner vielen Pässe, die zu Abschlüssen führten, auch Ben Hatira als potenziellen Hipster ansehen – durchaus passend für einen gebürtigen Berliner.

Der Artikel erschien in leicht veränderter Fassung am 28. Februar 2020 unter dem Titel „Bedingt abwehrbereit“ im Nürnberger Stadtanzeiger, dem gemeinsamen Lokalteil von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung, auf Seite 36.

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