Der Trainer…
… ist gebürtiger Münchner und spielte zwei Jahre für den Club. Zwischen 1999 und 2001 lief Stefan Leitl für den FCN auf, es folgten Stationen in Unterhaching, Darmstadt und Ingolstadt. Dort blieb der 42-Jährige hängen. Er spielte sechs Jahre für die Schanzer und wechselte dann in den Trainerstab. Nach der U17 und U23 übernahm Leitl im August 2017 die Profis der Oberbayern. Sein erstes Spiel: Ein 1:0 Sieg in Fürth. Am Ende der Saison war der FCI Neunter und startete in die nächste Spielzeit mit nur einem Sieg aus sieben Pflichtspielen. Nach elf Jahren ging Leitls Zeit in Ingolstadt zu Ende, er wurde entlassen. Sein Nachfolger Alexander Nouri hielt sich nur acht Spiele im Amt und wurde abgelöst von: Jens Keller, dem neuen Trainer des FCN.
Leitl hatte in Ingolstadt lange mit einer recht klaren Grundordnung Erfolg, ließ sein Team offensiv im 4-3-3 spielen und hielt sich bis in die Schlussphase der Saison 2017/18 in Tuchfühlung mit dem Aufstiegsrelegationsplatz, ehe man nach einem 1:1 gegen den Club abreißen lassen musste. Erreicht hatte das Leitl mit einem Team, das oft aufs Tor schoss, den Ball oft in Tornähe an den Mann brachte und extrem intensives Pressing spielte.
Die Grundordnung…
… ist in Fürth nun nicht mehr allein auf ein offensives 4-3-3 festgelegt. Die Formation ist zwar immer noch im Repertoire wird aber zu Hause durch ein 4-4-2 mit Raute und auswärts durch ein 4-2-3-1 ergänzt. Ob Leitl erneut aufs 4-4-2 setzt, dürfte auch davon abhängen, wie er den Club unter Jens Keller erwartet. Wenn dieser das Flügelspiel – wie bei seinen bisherigen Stationen – betont, ist die zentrumslastige Raute womöglich das falsche Mittel. Dann könnte Leitl sein Team ebenfalls im 4-3-3 auf Feld schicken. Dies wäre angesichts der Probleme, die der FCN in der Defensive in Sachen Antrittsgeschwindigkeit hat, bei Spielern wie Hrgota oder Green durchaus eine gangbare Alternative.
Andere Dinge sind dagegen ähnlich wie in Ingolstadt: Das Pressing ist immer noch eines der intensivsten der Liga und Leitls Team schließt seine Angriffe weiterhin oft von außerhalb des Strafraums ab. Die durchschnittliche Entfernung eines Fürthers beim Schuss aufs Tor sind 20,3 Meter und damit fast zwei Meter weiter vom Tor weg, als der durchschnittliche Abschluss in der Zweiten Liga.
Das ist insofern bemerkenswert, da statistisch Schüsse von außerhalb des Strafraums nur eine Trefferwahrscheinlichkeit von 4% haben. Der FCN liegt mit 20,2 Metern übrigens nicht wesentlich näher am Tor als das Kleeblatt, es könnte am Sonntag also durchaus ein Weitschussfestival geben. Ungefähr die Hälfte aller ihrer Schüsse geben beide Teams von außerhalb des Strafraums ab. Ebenfalls wahrscheinlich: Viel Fouls. Nicht nur, weil es ein Derby ist, sondern auch, weil Fürth sowohl die Mannschaft mit den meisten Fouls ist, als auch die Mannschaft, die am meisten gefoult wird.
Die letzten Spiele…
… hat Fürth zu Hause fast immer überzeugen können, während man auswärts Probleme hatte. Vier Siege zu Hause in sechs Spielen, davon kann der bislang zu Hause erst einmal erfolgreiche FCN nur träumen. Fürth tritt vor heimischem Publikum dominanter auf, steht breiter und spielt aktiver. Das lässt sich auch statistisch erfassen: Fast sechzig Pässe mehr spielt das Kleeblatt am Ronhof als auswärts, 53% Ballbesitz statt 45%, etwa 5% mehr gewonnene Zweikämpfe und ein um 20% höherer Pressingdruck.
Womit Fürth auswärts wie zu Hause zu kämpfen hat, ist die geringe Körpergröße seiner Abwehrspieler. Aus der derzeitigen Stammabwehrreihe Wittek, Mavraj, Caligiuri und Meyerhöfer ist lediglich Mergim Mavraj (1,89m) größer als 1,80m. Auch darüber hinaus überschreiten viele Akteure wie Green, Ernst, Leweling, Sarpei oder Stefaniak nicht jene Marke. Hier ergeben sich für den Club, der mit Erras (1,96m), Sörensen (1,91m), Frey (1,90m), Mühl (1,89m) und Behrens (1,88m) jede Menge hochgewachsene Spieler in seinen Reihen hat, Vorteile, die sie allerdings auch auszunutzen wissen müssen. So hat der FCN auswärts bereits sieben Tore nach Standards erzielt, Fürth allerdings insgesamt erst ein Standardgegentor kassiert. Vor zwei Wochen durch Behrens; allerdings durch Kevin Behrens von Sandhausen.
Der Schlüsselspieler …
… hat das Fußballspielen in die Wiege gelegt bekommen. Paul Seguin ist der Sohn eines veritablen Europapokalsiegers. Vater Wolfgang war Nationalspieler, mit dem 1.FC Magdeburg dreimal Meister, fünfmal Pokalsieger und gewann den Europapokal der Pokalsieger. Der Filius darf sich ganz offiziell DFB-Pokalsieger nennen. Mehr als eine Minute Einsatzzeit im Achtelfinale der Pokalsiegersaison des VfL Wolfsburg hat der 24-Jährige aber nicht zu Dieter Heckings einzigem ernstzunehmenden Titel beigetragen. Daher hatte der VfL Wolfsburg ihn auch schon nach Dresden und Fürth ausgeliehen, ehe er im Sommer fest an den Laubenweg wechselte.
Dort spielt Seguin unter Leitl eine zentrale Rolle. Egal wie Leitl aufstellt, Seguin ist immer auf der Sechs zu finden, ist dabei der Mittelfeldspieler mit den meisten Ballgewinnen und der Spieler des Kleeblatts mit den meisten Pässen. Auch wenn Seguin noch ohne Torvorlage ist, ist der Mittelfeldmann doch an erfolgreichen Angriffen beteiligt. Seguin ist der Fürther Spieler mit den meisten „Second“ und „Third Assists“, also den meisten Vorlagen zu Torvorlagen. Gleichzeitig wackelt Seguin aber immer wieder in der Rückwärtsbewegung, gewinnt gegen den Ball nur knapp 46% seiner Zweikämpfe und nur 38% seiner Luftduelle, so dass er mit gezieltem, aggressivem Anlaufen unter Druck zu setzen ist, wodurch die Stabilität der Fürther Defensive in Gefahr gebracht werden kann.
Der Artikel erschien in leicht veränderter Fassung am 22. November 2019 unter dem Titel „Nicht besonders groß, aber gefährlich“ im Nürnberger Stadtanzeiger, dem gemeinsamen Lokalteil von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung, auf Seite 30.
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